Musikalischer Blick nach Armenien
Generalmusikdirektor Ruben Gazarian vom Theater Altenburg Gera im Interview
Armenien – ein unbekanntes Land jenseits der schneebedeckten kaukasischen Riesen, zerklüftet, steinig und uralt. Es ist das Geburtsland von Generalmusikdirektor Ruben Gazarian, der jetzt im Rahmen des 6. Philharmonischen Konzerts unter dem Titel „Blick nach Armenien“ am Theater Altenburg Gera Werke armenischer Komponisten präsentiert. Wir haben mit dem gebürtigen Armenier und Dirigenten gesprochen.
Herr Gazarian, Sie sind in Armenien aufgewachsen, wie geht es dem Land?
Schon seit mehr als vier Jahren geht Armenien durch eine außerordentlich schwere Zeit: Wegen unterschiedlichster Interessen mehrerer Großmächte ist die geopolitische Lage um das Land herum ohnehin extrem angespannt und die Lage hochexplosiv. Außerdem machen sich zwei der Nachbarländer diese beispiellose Gemengelage zunutze, um zu versuchen, auch dieses letzte verbleibende kleine Stück der armenischen Staatlichkeit von der Landkarte zu tilgen. Und besonders tragisch ist die Tatsache, dass ein Teil dieser existenziellen Schwierigkeiten hausgemacht ist, was das Ganze umso düsterer macht.
Bereits im Alter von 19 Jahren kamen Sie nach Deutschland. Spielt die Kultur Armeniens nach wie vor eine wichtige Rolle in Ihrem Leben?
Da denke ich, neben der Musik, beispielsweise an die Sprache: Armenisch ist überaus reich, tiefsinnig und melodiös, mit eigenem Alphabet und einem gigantischem Wortschatz. Gerade in jüngster Vergangenheit entdecke ich meine eigene Muttersprache immer wieder neu und staune über deren Schönheit. Das Lesen armenischer Bücher – es gibt da einen riesigen Literaturschatz – bereitet mir immer wieder pure Freude.
Man kann nicht behaupten, dass armenische Komponisten in Deutschland sehr bekannt sind. Sind die Werke, die im 6. Philharmonischen Konzert erklingen werden, für armenische Ohren Klassiker?
Zumindest die Musik von Aram Khatschaturjan – des sicherlich bekanntesten und populärsten armenischen Komponisten in der Welt – ist es auf jeden Fall: Wenn man in Armenien geboren und aufgewachsen ist, dann hat man diese Melodien und die Musiksprache quasi eingeatmet.
Wenn Sie mitteleuropäisch geschulten Ohren die Charakteristik armenischer Musik beschreiben würden, welche Attribute würden Sie benutzen?
Spontan kommt mir sofort die Harmonik in den Sinn, denn die für armenische Musik typischen Gefühle der Wehmut, Melancholie und des Bittersüßen, werden zu großen Teilen durch die harmonischen Strukturen geformt. Dabei ist natürlich der melodisch-thematische Aspekt von großer Bedeutung und da kommt auch das Volkslied ins Spiel: Viele der armenischen Komponisten – sowohl in der Sowjetperiode als auch in den Jahrzehnten danach – speisen sich aus dieser genuinen Quelle. Dieses „Anzapfen“ der jahrhundertealten Volksmusik-Tradition wäre ohne die Arbeit von Komitas, dessen Namen ich spätestens an dieser Stelle nennen muss, undenkbar: Neben Mesrop Mashtotz, dem Schöpfer des armenischen Alphabets, gehört dieser geniale Komponist zu den kulturellen Heiligtümern und identitätsstiftenden Figuren für alle Armenier weltweit.
Im 6. Philharmonischen Konzert wird außerdem das armenische Nationalinstrument, ein Duduk, erklingen. Um was für eine Art Instrument handelt es sich dabei? Was macht seinen Klang aus?
Gerade sprach ich von Wehmut und Melancholie: Kaum ein anderes Instrument vermag diese emotionalen Zustände und Stimmungen besser auszudrücken als das Duduk. Die Farbe des Duduk-Klangs, die ich so sehr liebe, ist unverwechselbar und geht direkt zum Herzen.
Ruben Gazarian ist seit der Spielzeit 2020/2021 Generalmusikdirektor des Theaters Altenburg Gera. Außerdem ist er seit März 2023 Gastdirigent des Nationalen Armenischen Kammerorchesters.
6. Philharmonisches Konzert „Blick nach Armenien“
Termine
Mi 28. FEB 2024 · 19:30 · Konzertsaal Gera
DO 29. FEB 2024 · 19:30 · Konzertsaal Gera
Fr 1. MRZ 2024 · 19:30 · Theaterzelt Altenburg
Weitere Informationen unter www.theater-altenburg-gera.de
Interview durchgeführt von Susanne Streicher
im Auftrag des Theaters Altenburg Gera