Fast 900.000 Überstunden im Altenburger Land – Gewerkschaft schlägt Alarm

Die Arbeitsbelastung im Kreis Altenburger Land erreicht neue Höchststände: Laut dem aktuellen „Arbeitszeit-Monitor“ des Pestel-Instituts haben Beschäftigte im vergangenen Jahr insgesamt rund 895.000 Überstunden geleistet. Besonders alarmierend: Rund 460.000 dieser Stunden wurden unbezahlt erbracht. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Thüringen spricht von einem „strukturellen Missstand“ und startet jetzt einen Appell an die Bundestagsabgeordneten der Region – gegen eine geplante Aufweichung des 8-Stunden-Tags.
Gastronomie besonders betroffen – viele Stunden zum Nulltarif
Insbesondere in Hotels, Restaurants und Gaststätten im Altenburger Land zeigt sich das Überstundenproblem deutlich: Rund 11.000 Überstunden leisteten Mitarbeitende im Gastgewerbe, darunter Köche, Servicekräfte und Barkeeper. Laut NGG Thüringen blieben 54 Prozent dieser Mehrarbeit unbezahlt. Damit gehört das Gastgewerbe zu den besonders betroffenen Branchen in Ostthüringen.
Jens Löbel, Geschäftsführer der NGG Thüringen, kritisiert scharf: „Das ist nicht nur unfair, sondern schlicht rechtswidrig. Viele Arbeitgeber profitieren von der prekären Personalsituation und beuten ihre Beschäftigten aus.“
8-Stunden-Tag vor dem Aus?
Besonders brisant: Die Bundesregierung plant offenbar eine Reform des Arbeitszeitgesetzes, bei der der klassische 8-Stunden-Tag zugunsten einer flexibleren Wochenarbeitszeit abgeschafft werden könnte. NGG-Chef Löbel warnt vor dramatischen Folgen: „Arbeitstage von 10 bis 12 Stunden – sechs Tage die Woche – wären dann rechtlich möglich. Das wären bis zu 73,5 Stunden pro Woche. Eine völlige Entgrenzung der Arbeitszeit.“
Löbel sieht darin ein „Arbeitszeit-Monopoly auf Kosten der Beschäftigten“ und fordert ein klares Nein aus dem Bundestag, insbesondere von den Abgeordneten aus dem Altenburger Land und Ostthüringen.
Folgen für Gesundheit und Familie
Die Gewerkschaft warnt auch vor den gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen: Längere Arbeitszeiten erhöhten das Risiko für Burnout, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Unfälle am Arbeitsplatz. Außerdem erschwere das neue Modell die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege. Löbel fragt provokant: „Wer holt die Kinder aus der Kita ab, wenn die Schicht zwölf Stunden dauert?“
Frauen besonders betroffen
Besonders für Frauen wäre das ein Rückschritt: 66 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten im Altenburger Land sind weiblich. Statt bessere Bedingungen für die Rückkehr in Vollzeit zu schaffen, würde eine Arbeitszeit-Ausweitung das traditionelle Alleinverdienermodell zementieren, kritisiert die NGG.
Fachkräftemangel: Keine Lösung durch längere Arbeitszeit
Für den Fachkräftemangel in der Region sieht die Gewerkschaft andere Hebel: Bessere Arbeitsbedingungen, planbare Arbeitszeiten, gezielte Qualifizierungsmaßnahmen und Ausbildungsinitiativen seien nachhaltigere Ansätze als das „Löcherstopfen“ mit XXL-Schichten.